John Rahim
September 22, 2025

Von KI-Paywalls bis Post-Google-Strategien: Was führende internationale Medienunternehmen jetzt umsetzen

Auf der letzten Press Gazette Future of Media Technology Conference in London hat mich nicht die Diskussion über Probleme beeindruckt, sondern die konkreten, praktischen Lösungen, die führende Medienhäuser bereits heute umsetzen. Die Präsentationen von The Economist, Alma Media, O'Reilly Media und FT Strategies haben eindrucksvoll gezeigt, wie KI, Datenanalyse und neue Technologien die Verlagswelt fundamental verändern. Hier sind meine wichtigsten Erkenntnisse von der Konferenz, nicht als theoretische Konzepte, sondern als praxiserprobte Strategien, die bereits messbare Ergebnisse liefern.


Luke Bradley-Jones über The Economists Post-Google-Strategie

Luke Bradley-Jones, Präsident von The Economist, hat in seinem Vortrag dargelegt, wie sich sein Verlag an eine Welt anpasst, in der Google nicht mehr zuverlässig Traffic liefert. Dabei hat er vor allem die „drei Ds" betont: Differenzierung, direkte Beziehungen und Auffindbarkeit.

Zur Differenzierung setzt The Economist auf „handwerklichen" Journalismus, die Mischung aus Analyse, globalem Kontext und redaktionellem Urteilsvermögen, die durchdachte Beiträge auszeichnet. Dies gilt formatübergreifend: Der tägliche Podcast „The Intelligence" erreicht Zielgruppen, die das Magazin vielleicht nie abonniert hätten. Video-Erklärungen rücken Journalisten ins Blickfeld und enthüllen die Debatten hinter den Schlagzeilen.

Für direkte Beziehungen hat The Economist die technischen Maßnahmen mit Cloudflare verstärkt, um KI-Bots vom Abgreifen journalistischer Inhalte abzuhalten. Gleichzeitig experimentiert ein internes KI-Labor mit Googles NotebookLM, wodurch Abonnenten Inhalte abfragen und Audio-Zusammenfassungen generieren können. Der Versuch hat starke Nutzungsmuster aufgezeigt: Menschen haben deutlich mehrFragen gestellt und viele bevorzugten Audio gegenüber Text.

Für bessere Auffindbarkeit investiert The Economist außerdem mehr denn je in Brand-Marketing, besonders in den USA, wo die Zahlungsbereitschaft höher ist. Hier sind lineares TV, Radio und Außenwerbung die bevorzugten Kanäle und übertreffen digitale Kampagnen in ihrer Markenwirkung. Der mutigste Schritt ist die Einführung von „Off the Charts", einem kostenlosen Newsletter für Datenvisualisierungs-Journalismus.

Bradley-Jones' Rat war unmissverständlich: „Sind Sie differenziert, ist Ihr Produkterlebnis überzeugend und sind Ihre Partnerschaften strategisch?" Falls ja, ist Überleben möglich. Falls nein, riskieren selbst bisher starke Marken den Niedergang.


Wie Alma Media und Mather mit KI die Ökonomie von News-Abonnements neu gestalten

Alma Media wurde 2012 Finnlands erster Verlag mit digitalen Abonnements. Nach dem Wechsel zu einem Premium-Modell 2017 traf die Firma eine ungewöhnliche Entscheidung: Verkaufsziele für Journalisten. Redaktionsmitarbeiter teilten KPIs mit dem Vertriebsteam, eine Veränderung, mit der viele Verlage noch kämpfen.

Der Durchbruch kam 2022 mit der Partnerschaft mit Mather Economics und der Einführung von Sophi, einem dynamischen Paywall-System. Das Tool nutzt KI, um das Abonnement-Potenzial einzelner Artikel und die Wahrscheinlichkeit einer Leser-Konversion zu bewerten. Die ersten Tests waren beeindruckend: Abonnements stiegen um 37%, Registrierungen sprangen um 130%, während die Intercept-Level im vereinbarten Bereich von 2 bis 5% blieben und so die Werbereichweite bewahrten.

Johanna Suhonen, Almas VP Content Business, hat eingeräumt, dass anfänglich große Skepsis herrschte. Aber als die Ergebnisse kamen, wichen Zweifel der Erleichterung. „Das Redaktionsteam war zufrieden", sagt Suhonen. „Sie mussten weniger raten und hatten bessere Ergebnisse."

Für Mathers Ariel Burkett liegt der Schwerpunkt auf dem Aufbau registrierter Nutzer, dem Tor zu First-Party-Daten, die sowohl Werbe- als auch Abo-Modelle untermauern. „Die Fähigkeit, verschiedene Modelle zu trainieren, eines für registrierte Nutzer und ein anderes für Abonnements, ist entscheidend. Denn wir wollen nicht ein Ziel für das andere opfern."


O'Reilly Media, Miso AI und der Kampf ums Wissen im Zeitalter des Scrapings

O'Reilly Media hat sich vom Fachbuchverlag zur digitalen Plattform mit über 200 Partnerverlagen und 2,5 Millionen Abonnenten entwickelt. Die Herausforderung, argumentiert Chief Product Officer Julie Baron, besteht darin, Menschen bei der Navigation durch Inhalte zu helfen: „Wenn Sie Millionen von Seiten haben, wie finden Sie dann den einen Absatz, der das Problem vor Ihnen löst?"

Die Lösung mit Miso AI war „AI Answers", wobei Inhalte in kontextangereicherte Snippets aufgeteilt werden. Anders als ChatGPT halluzinieren O'Reillys Antworten nicht. Sie zitieren direkt aus lizenziertem Material. „Das ist das Steak, nicht der Hamburger", sagt Miso-CEO Lucky Gunaesekara und beruft sich auf Tim O'Reillys Warnung vor KI-Scraping.

Baron hat argumentiert, dass Snippets in technischen Kontexten „zehnmal wertvoller als Browsing" sein können. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass Leser, die Snippets ausgesetzt sind, insgesamt mehr Titel erkunden. Misos Sentinel-Tool überwacht Traffic-Muster und identifiziert wahrscheinliches Scraping. Spannend: Fast die Hälfte der verfolgten Websites hat keine grundlegenden Bot-Deklarationen.

Die Unternehmen bevorzugen es, Modelle unter direkter Kontrolle zu behalten, nutzen Open-Source-Frameworks, vermeiden aber die vollständige Abhängigkeit von externen Anbietern. Wie Baron es ausdrückt: „Das Pferd reiten, nicht das Auto schieben", also mit dem KI-Momentum arbeiten, es aber für Verlegerinteressen nutzen.


FT Strategies über den Aufbau von Resilienz in einer KI-getriebenen Medienwelt

Sam Gould und Adriana Whiteley von FT Strategies haben gewarnt, dass KI verändert, wie Informationen entdeckt werden, mit Konsequenzen, die früher eintreten als erwartet. Gould verwies auf Stack Overflow: Als ChatGPT startete, war es bequemer für Programmierer einfach, das KI-Modell zu fragen. Stack Overflows Traffic brach über Nacht ein.

Whiteley hat darüber hinaus die sich verändernde Natur des Wettbewerbs hervorgehoben: Eine Redaktion in Tallinn oder São Paulo kann Texte in perfektem Englisch in großem Umfang publizieren und dieselben Zielgruppen erreichen. In einem solchen Umfeld wirkt viel Content gefährlich replizierbar. Unterscheidbare Arbeit wie Investigationen, scharfe Analysen und vertrauenswürdige Interpretationen bleiben schwer zu imitieren, bilden aber einen kleineren Anteil der Produktion, als die meisten Verlage zugeben möchten.

FT Strategies argumentiert, dass Resilienz aus einem klareren Bild der Zielgruppen und ihres Werts entsteht. Verlage müssen wissen, welche Segmente hochwertig, volatil oder am stärksten von KI-Substitution bedroht sind. Whiteley hat im Gespräch Heat Maps beschrieben, die Traffic und Umsatz nach Content-Typ zeigen. Mit dem Ergebnis, dass manche für die Markenidentität zentrale Berichterstattung tatsächlich ertragsschwach ist; übersehene Nischen erweisen sich als resilient.

Drei Gefahren stechen hervor: Traffic-Erosion (jüngere Zielgruppen bilden Gewohnheiten, die Verlage ausschließen), Content-Kommodifizierung (große Teile der Produktion können repliziert werden) und Instabilität (KI-Plattform-Referrals sind undurchsichtig und plötzlichen Änderungen unterworfen).

Ihr pragmatischer Rat: in unterscheidbaren Content investieren, der Bedürfnisse besser als generierte Zusammenfassungen erfüllt, reichere Zielgruppen-Einblicke entwickeln und agile Strukturen schaffen, die sich schnell anpassen, wenn sich Discovery-Regeln wieder ändern. Die Lektion ist klar: nicht warten. Denn KI ist eine strukturelle Veränderung der Entdeckung von Inhalten.


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