Digitalisierung: Mit diesen 6 Erfolgsprinzipien überleben Verlage die digitale Disruption

Timo Lamour

Gespannt wartet in deutschen Verlagen niemand mehr auf die aktuellen Zahlen der IVW. Eher herrscht eine gewisse Anspannung, denn bekanntlich kennen die wichtigsten Werte seit Jahren nur eine Richtung.

Gespannt wartet in deutschen Verlagen niemand mehr auf die aktuellen Zahlen der IVW. Eher herrscht eine gewisse Anspannung, denn bekanntlich kennen die wichtigsten Werte seit Jahren nur eine Richtung.

Ich bin fest davon überzeugt, dass diejenigen, die die Digitalisierung als Herausforderung und nicht als Problem sehen können, den wirtschaftlichen Abwärtstrend stoppen werden.

Wer mutig genug ist die Digitalisierung nicht als Gefahr, sondern vielmehr als Chance zu sehen und daraus die richtigen Prinzipien ableitet, der hat nach wie vor alle Zügel selbst in der Hand. Vor allem in einem Umfeld das nach wie vor stark vom Festhalten am Status Quo geprägt ist.

In den folgenden Abschnitten liefere ich Ihnen sechs Prinzipien, die Verlagen helfen, die Chancen der Digitalisierung voll auszunutzen:

  1. Leserfokus als oberste Priorität
  2. Multichannel ist der Schlüssel
  3. Spezialisieren Sie sich
  4. Es zählt nur der Content
  5. Qualität darf etwas kosten
  6. Kenne Sie ihre Nutzer!


1 Leserfokus als oberste Priorität

Von Amazon lernen, heißt siegen lernen. Das Unternehmen setzt seine Kunden in das Zentrum aller seiner Bemühungen. Reibungslose Bestellprozesse, individualisierte Kundenansprache durch Produktempfehlungen und Newsletter, Kulanz nach dem Kauf. Amazon analysiert ständig die Daten seiner Kunden und stimmt Inhalte auf deren Vorlieben ab.

Und das mit sehr guten Gründen. Denn den treuen Kunden, der über viele Jahre seiner Bank, Versicherung oder seiner Zeitung die Treue gehalten hat, gibt es in dieser Form nicht mehr.

Warum? Ganz einfach. Wettbewerbsangebote sind oft einen Mausklick oder Fingertipp entfernt. Der Leser braucht Argumente, um wieder zu kommen, und will jeden Tag erneut erobert werden.

Verleger verweisen in diesem Zusammenhang gern auf die Qualität der journalistischen Angebote. Doch das dürfte nicht mehr genügen. Die Rede vom Qualitätsjournalismus stammt aus der Zeit, in der die Verlagsbranche sich gegen Blogs und anderen Nachrichtenquellen differenzieren wollte.

Inzwischen dürften Leser davon ausgehen, dass online ebenso sorgfältig und mit hoher Qualität gearbeitet wird.

Was in digitalen Zeiten besonders zählt, ist ein klarer Fokus auf eine Zielgruppe, deren Wünsche und Erwartungen adressiert werden müssen. Personalisierung ist hier der Hebel.

Das beste Angebot ist das, von dem der Leser meint, es sei extra für ihn gemacht. Die digitalen Werkzeuge bieten die Möglichkeiten, mit denen sich eine 1:1-Kommunikation mit dem Leser erreichen lässt. So wird jeder Leser zum eigenen Chefredakteur.

Personalisation is key to digitalisation

Die Basis auf dem Weg zu diesem Ziel bieten präzise Zielgruppen und ein klarer Themenfokus. Darauf bauen dann neue technische Optionen auf.

Zahlen und Analysen werden für Verlage noch wichtiger. Dem Leser hat ein Artikel gefallen? Dann ziehen Sie daraus Schlüsse und bieten relevante Zusatzinhalte an.

Systeme, die auf maschinellem Lernen basieren, können die Erkenntnisse weiter verfeinern. Am Ende ist sie dann wieder da, die Bindung zwischen Medium und Nutzer.


2 Multichannel ist der Schlüssel

Der Medienkonsum der Nutzer fragmentiert sich. Sie lesen, schauen Videos oder hören Podcasts. Auf den ersten Blick scheint die Vielfalt der Gattungen und Kanäle ein Hindernis auf dem Weg zur Digitalstrategie zu sein.

De facto bietet sie Ihnen allerdings mehr journalistische Freiheit.

Statt langer Tutorials, fühlen sich die Nutzer durch einen Videoclip schneller informiert. Und ein Podcast transportiert besser die Stimmung während eines Interviews oder einer Debatte. Soweit so klar.

Auf diese geänderten Nutzungsgewohnheiten müssen sich Verlage einstellen. Dr. Ruth Betz, bei der Funke-Mediengruppe für die digitale Transformation verantwortlich, formulierte es in dem IJNotes Podcast so: „Wir denken nicht mehr in Geräten. Wir denken jetzt in Lesern.”

In diesem Zusammenhang spielt es weniger eine Rolle, ob der Fokus des Medienhauses auf einem Vollangebot oder auf der digitalen Welt liegt. Multichannel entspricht dem Zeitgeist und dem Verhalten der Konsumenten.

Das gilt für Handel, Banking und für Journalismus. Für einen Multichannel-Ansatz sind Kreativität und Experimentierfreude gefragt. Und eine technische Lösung, die die Umsetzung der Ideen vereinfacht.


3 Spezialisieren Sie sich

Wer in hoher Qualität für “alle” über “alles” publizieren will, hat es schwer. Lassen Sie mich an dieser Stelle erneut eine Analogie zum Handel zurückgreifen.

Abseits von Amazon gibt es erfolgreiche Online-Shops, die schwarze Zahlen schreiben. Frage: Welche eine Sache haben Sie alle gemeinsam? Sie haben sich hochgradig spezialisiert.

Jeder Verlag muss herausfinden, in welchem Bereich seine Spezialisierung liegen kann. Das kann das (Hyper-) Lokale sein oder auch auch ein Fachthema.

Als Medium müssen Sie dem Nutzer täglich einen Grund liefern, um sich bei Ihnen zu informieren und eben nicht anderswo. Weil er z. B. nur bei Ihnen die besten Branchennachrichten findet, die ihn in seinem Beruf weiterbringen. Oder nur bei Ihnen Tipps bekommt, die er anderswo nicht erhält oder weil Sie Fakten und Trends besonders verständlich einordnen.

Ein grandioses Beispiel für Leserfokus, Datenanalyse und Spezialisierung ist der Leuchtturm untern den Medienhäusern, die New York Times.

Der Verlag stellt den Standort des Nutzers fest, um dem Nutzer daraufhin relevante Nachrichten und Artikel anzubieten. Es gibt spezielle Abos, die sich an Rätselfreunde wenden.

New York Times personalised crossword subscription

Und, auch ein sehr entscheidender Punkt, die Redakteure halten persönlich engen Kontakt zu den Lesern über die soziale Medien. Dort wird z. B. regelmäßig gefragt, wofür sich die Nutzer interessieren. Die Kunden gewinnen so den Eindruck, dass hier ein Medium produziert wird, das ihre Wünsche ernst nimmt.

Skeptiker wenden zwar gern ein, dass der Markt in den USA größer sei, weshalb es müßig sei, die digitalen Erlöse des New York Times mit denen deutscher Verlage zu vergleichen. Allerdings fokussiert sich die NYT nicht nur thematisch, sie setzt den Leser wirklich in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Modern und datengetrieben.


4 Es zählt nur der Content

Leider stehen sich Verlagshäuser bei der Digitalisierung häufig selbst im Weg und begehen immer wieder die gleichen vermeidbaren Fehler.


Fehler Nummer 1: Seitenaufrufe als Hauptziel

Im Januar 1996 schrieb ein gewisser Bill Gates in einem viel beachteten Essay: “Content ist der Bereich, von dem ich in Zukunft erwarte, dass dort viel von dem großen Geld im Internet verdient wird, genau wie beim Fernsehen.” Das war wohlgemerkt im Jahr 1996.

Wer das Versprechen “Content is King” in seiner Strategie nicht einlöst, freut sich vielleicht zunächst über hohe Seitenaufrufe.

Zum nachhaltigen Aufbau einer Leserschaft trägt das allerdings nicht bei. Im Gegenteil, wahrscheinlich zeigt ein Blick in die Statistiken eine hohe Absprungrate.

Das passiert ebenso, wenn ein simpler Listenartikel in Form einer langatmigen Bilderstrecke auf diverse Unterseiten verteilt wird. Das schönt zwar die Statistik, verschwendet aber die Zeit der Nutzer.

Auch der Begriff des Clickbait hat längst die Verlagshäuser verlassen. Vielleicht kennt noch nicht jeder Nutzer dessen genaue Bedeutung, den Mechanismus des Generierens von Klicks dahinter aber wahrscheinlich schon.


Fehler Nummer 2: Falsche Produktionsstrategie

In vielen Häusern gibt es nach wie vor eine eindeutige Ausrichtung, die entweder “Online First” oder “Print First” lautet. Dies wird dem tatsächlichen Nutzungsverhalten schon lange nicht mehr gerecht.

Entwicklung der weltweiten Verteilung der Portfoliostrukturen in der Verlagsbranche

Wer diese Strategie auf die Spitze treibt, würdigt einen Kanal zu einem Beiboot herab, das lieblos und vernachlässigt wirkt. Fließt beispielsweise die Energie ausschließlich in den Online-Auftritt, bleiben zu wenige Ressourcen übrig, um im Print längere Analysen zu liefern oder Inhalte, die es online nicht gab. Das gilt umgekehrt genauso.

Daher muss im Zentrum der Content-Produktion unbedingt ein System stehen, das es den Mitarbeitenden gestattet, sich auf die Inhalte zu konzentrieren, ohne sie mit zu viel Technik zu belasten.

Die medienneutrale Produktion bietet die Freiheitsgrade, den Content auf dem Kanal zu veröffentlichen, der am besten geeignet scheint.

Mit unserem Multichannel Publishing Hub, ist es übrigens ein Kinderspiel, strukturierten und medienneutralen Content zu erstellen. Jetzt mehr herausfinden.


5 Qualität darf etwas kosten

Die Mehrheit der Verlage in Deutschland ist mit ersten digitalen Angeboten gestartet, als das Internet gerade dabei war, zu einem Massenphänomen zu werden.

Vor allem mangels technischer Abrechnungssysteme und durch die strategische Vorgabe, Reichweite aufbauen zu wollen, wanderte Content kostenlos ins Netz. Das ging solange gut, bis die Umsatzerlöse aus dem Printbereich in den Keller gingen.

Die Behauptung, dass Paywalls in Deutschland nicht funktionieren können, ist falsch. Dies zeigen Erfolge überregionaler Medien und Fachangebote immer wieder.

Ob Einzelabruf, wie beispielsweise mit LaterPay, ein Monatsabo, eine Kombination verschiedener Ansätze oder eine innovative dynamische Paywall wie sie die Neue Zürcher Zeitung und das Wall Street Journal bereits einsetzen. Den richtige Weg zum eigenen Erfolg sind, muss jeder Verlag Schritt für Schritt selbst herausfinden.

New York Times Freemium Paywall Model

Wer seine Leser in den Mittelpunkt stellt und ihm entscheidenden Mehrwert bietet, der ist diesem auch sprichwörtlich mehr Wert.

Die Digitalisierung bietet außerdem zusätzliche Option, neue Erlösquellen zu erschließen. Z. B. in dem neue Formate entwickelt werden. Digitaler Content ist agiler, Entwicklungen lassen sich viel schneller auf den Markt bringen und erproben, als dies zu reinen Printzeiten denkbar war.

Thematische Newsletter, die die Abonnenten regelmäßig zu einem Spezialthema mit vertiefenden Informationen versorgen, sind ein großartiges Beispiel. Brandaktuelle News, die per Messenger an die Nutzer verteilt werden ein weiteres.

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Verlag einen potentiell riesigen Schatz besitzt, der nur gehoben werden muss. Denn mit jeder Interaktion der Nutzer gewinnt der Verlag Daten. Informationen, die er nutzen kann, um unter anderem zielgruppenspezifische Werbeformen zu entwickeln. Hier gilt: Es siegen Kreativität, Querdenken und innovatives Business Development.


6 Kennen Sie Ihre Nutzer!

Daten bilden den Kern der Digitalisierung. Ohne Datenanalysen sind digitale Geschäftsmodelle nicht vorstellbar.

Damit Sie Ihre Zielgruppe definieren können, müssen Sie erst einmal wissen, wer diese überhaupt ist. In vielen Verlagen schlummern diese Informationen allerdings in unterschiedlichen Datensilos.

Deshalb benötigen Verlage Systeme, die solche Silos aufbrechen und mit modernen Technologien wie Künstlicher Intelligenz die Informationen analysieren. Zuletzt sorgte in diesem Zusammenhang Ranga Yogeshwar mit der Aussage: “Europa schläft noch” gar für große Aufmerksamkeit.

Die Datenanalyse erfordert gerade zu Beginn Anstrengung, und teilweise sind unpopuläre Entscheidungen zwingend notwendig. Wenn sich beispielsweise zeigt, dass die über Jahrzehnte gewachsene Verlags-IT den modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist.

Dies unterstreicht der niedrige Competence Score im Bereich Customer Analysis in einer kürzlichen Erhebung durch BrandLab.

Tech Competence survey by BrandLab

Einsatz lohnt sich jedoch, denn maschinell unterstützte Analysen sind nicht nur schneller, sondern eröffnen auch neue Perspektiven. Z.B. erlangen Sie den Zugriff auf Nutzersegmente, die im anderen Fall unentdeckt bleiben.

Der Nutzer hinterlässt mit jedem Abruf eines Beitrags, mit jedem Klick und jedem Aufruf einer App viele Informationen, die etwas über seine Vorlieben und sein aktuelles Interesse verraten.

Gelingt es, in Echtzeit darauf zu reagieren, in dem Content neu sortiert und gruppiert wird, erhöht das die Relevanz des Mediums für den Nutzer gewaltig. Künstliche Intelligenz ist hier der Treiber für eine größere Personalisierung des Angebots.

Abschließ möchte ich diesen Abschnitt mit einem, wie ich finde, sehr passenden Zitat von Microsoft-CEO Satya Nadella: „Jedes Unternehmen ist ein Softwareunternehmen. Sie müssen anfangen, wie ein digitales Unternehmen zu denken und zu handeln. Es geht nicht mehr nur um die Beschaffung und Bereitstellung einer Lösung. Es geht nicht nur um eine einfache Softwarelösung. Es geht darum, an Ihre eigene Zukunft als digitales Unternehmen zu denken.“


Fazit

Die Internet und mit Ihr die Digitalisierung wird nicht einfach wieder verschwinden. So ist das mit radikalen Fortschritten in der Geschichte.

Die deutschen Verlage befinden sich nach wie vor mitten in einem disruptiven Wandel. Dieser betrifft selbstverständlich nicht nur die Verlags- und Medienbranche. Sondern bis auf wenige Ausnahme fast alle. Die Herausforderungen sind dabei dieselben.

Inzwischen gibt es viele positive Beispiele und vielversprechende Ansätze, die Mut machen. Ideenreichtum, ein hoher eigener Anspruch an die Qualität des Contents gepaart mit moderner Technologie werden garantiert diejenigen Unternehmen belohnen, die sich mit gutem Grund optimistisch den Herausforderungen stellen.

Und eine letzte Bemerkung: Wenn es in Ihrem Unternehmen noch Mitarbeiter mit der Jobbezeichnung „digital“ gibt, sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit noch kein digitales Unternehmen.

Haben Sie weitere Ideen in Bezug auf die Herausforderung Digitalisierung? Wir würden sie liebend gerne hören.

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Kevin Kallenbach, Head of Sales, Purple
Kevin Kallenbach
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